Irgendwo im Nirgendwo

Alles begann damit, dass sich mir während dem zweiten Lockdowns ein Akustikbass in Kopf und Herz geschlichen hatte. Noch in Deutschland wollte ich mir genau diesen Harley Benton B-30BK bestellen. Ich weiß schon. HB ist als Hausmarke von Thomann halt ne Hausmarke von Thomann....Lassen wir das. Aber die Vorstellung mit dem Bass am Strand zu sitzen ließ mich nicht mehr los. 

 

HB gibt es meist nur online oder direkt bei Thomann. Leider verzögerte sich die Ankunftszeit immens. Sechs Wochen Lieferzeit, waren es online, zu Beginn meiner Idee. Beim echten Umsetzungsversuch waren es plötzlich 19 Wochen. Aua. Da wäre ich bereits in Marseille gewesen.

 

In Marseille bzw in Frankreich gibt es eine Website die ähnlich wie Ebay Kleinanzeigen funktioniert. Dort fand ich meinen "Schatz" tatsächlich nach ein paar Tagen, nachdem ich in Marseille angekommen war. Ich sollte nach Pertuis fahren. Pertuis liegt ca 50km nördlich von Marseille. Gesagt getan.

 

Die Dame mit der ich über leboncoin geschrieben hatte, verkaufte den Bass ihres Sohnes, der sich einen Akustik- Sechssaiter stattdessen gegönnt hatte... Äh... Nun ja,... gut für mich. Sie war sehr geduldig und willigte sogar ein, mir den Bass mit dem Auto zum Bahnhof zu bringen.  

So stieg ich heute morgen in einen Bus nach Meyrargues la Prise, den mir meine SNCF-App angezeigt hatte. Die SNCF ist die DB - Deutsche Bahn auf französisch und ich hoffe für sie, dass die App nur deshalb so schlecht funktioniert, weil ich sie in der deutschen Übersetzung benutze. Schlussendlich fand ich mich nach dem Ausstieg mitten in der Pampa wieder. Drei Lavendelbüsche, ein rießiger Rosmarinbusch, ein Wartehäuschen und ich.

Irgendwo im nirgendwo: Rosmarin und Lavendel. Von letzterem mussten drei kleine Zweige dran glauben und schmücken nun meinen Schreibtisch.
Irgendwo im nirgendwo: Rosmarin und Lavendel. Von letzterem mussten drei kleine Zweige dran glauben und schmücken nun meinen Schreibtisch.

35 Grad im Schatten und 0,33l Wasser in der neuen Flasche aus dem Welcome-bag der Uni. Eine famose Idee.

 

Ein wenig verwirrt hatte ich den Busfahrer noch gefragt, ob hier heute noch andere Busse fahren würden. Er zeigte auf einen Plan und bejahte.

Nachdem ich bis kurz vor zwei gewartet hatte und eigentlich schon längst in Pertuis sein sollte, schaute ich (Trottel) selbst noch einmal auf den vergilbten Plan, der an der Bushaltestelle aushing. Jupp. Schon klar. Lundi á vendredi. Montag bis Freitag. Es war Samstag.  

 

 

Schlussendlich holte mich die Verkäuferin des Akustikbasses von der Bushaltestelle mit dem Auto ab und fuhr mich zum nächsten Bahnhof. Sie plauderte während der Fahrt von ihrem Sohn, wollte wissen was ich studiere und freute sich, dass ich in "ihrer Region" gelandet war. Unglaublich offen. Unglaublich nett. Sehr sehr herzlich. Beim Abschied hätte ich sie am liebsten umarmt.

Bahnhof Pertuis (nach dem Foto ging es schnell wieder in den Schatten).
Bahnhof Pertuis (nach dem Foto ging es schnell wieder in den Schatten).

In Pertuis fuhr dann ein Bus nach Aix-en-Provence. Das "en Provence" spricht in Marseille niemand mit. Am Anfang war ich sehr beeindruckt davon und fühlte mich voll cool, nur "Aix" zu sagen. In Deutschland kennen die meisten Aix-en-Provence von den Lavendelfeldern oder den Gewürzen. Aber die wenigsten wissen was "Aix" ist.

 

Meine Uni ist eine Doppeluni mit Fakultäten in Aix und Marseille. In Aix finden viele künstlerische Fächer statt wie Theater, Tanz oder Musik.
So fiel es absolut nicht auf, als ich wie selbstverständlich mit meinem neuen, eingekofferten Baby in den Bus stieg und ihn natürlich nicht in die Gepäckablage unten knallte.

Quelle chance! (dt.: Was ein Glück!) Ohne Zweifel.    


Im Bus in Aix-en-Provence durfte ich den Bass mit hinein nehmen.
Im Bus in Aix-en-Provence durfte ich den Bass mit hinein nehmen.

Zurück zuhause in Marseille freuten sich meine Colocs (dt.: Mitbewohner:innen) über den Bass und ich war erstaunt, dass sie sich mit Zeitschriften bewaffnet, nicht davon stören ließen, als ich 2h in unserer "Chillecke" vor mich hinballerte.

 

Und was soll ich sagen. Das war ein schöner Tag. Ich bin super glücklich.