Brandteig & Pudding

Frankreich ist bekannt für die hohe Kunst der Pâtisserie. Oder auch: Es werde Pudding in einen mit Maronenmus gefüllten Brandteig gespritzt und eine dicke Zuckerschicht obendrauf geknödelt. In diese Zuckerschicht werden Pistazien gesteckt. Damit diese richtig halten, sollte das alles natürlich ummantelt von Schokolade und geschmückt mit Nüssen sein... Und Sahne... Und einer Kirsche.

Als ich klein war, gab es bei uns die Regel - wenn wir in Frankreich sind, wird möglichst in einem dieser riesigen E. Leclerc's Halt gemacht. Dort lagerten Unmengen an gefüllten - ja wie nennt man das eigentlich? Backwaren? Als Kind mit aller Arten von Allergien hatte ich früh Verzicht gelernt - Frankreich war sodann ein absurdes Fest für die Geschmacksnerven. Party hart. 

 

So. Problem: Ich wohne nun hier. In Frankreich. In dem Land, indem an jeder Ecke eine Patisserie zu finden ist. Zugegeben, Marseille ist nicht gerade bekannt für ausgeklügelte Zuckerentwürfe (außer der arabischen Zuckerläden!). Und oft wurde mir nun schon gesagt, dass es hier keine tauglichen Patisserien gibt. Ich sehe das anders. 

Eventuell bin ich aber auch leicht zu beglücken. Die Allergien haben sich verwachsen.

 

 

Das Vorhaben, jede Pâtisserie mindestens einmal auszuprobieren und den direkten Vergleich zu haben, ließ ich schnell wieder fallen. Mehr noch versuche ich zur Zeit meinen Konsum auf einmal die Woche zu beschränken. Nein, natürlich klappt es nicht.

Heute morgen erwischte mich meine Mitbewohnerin Mimi dabei, wie ich fertige Crêpes mit Schokoladencreme zum Frühstück aß. Erst gestern war ich seit meiner Ankunft das erste Mal in einem E. Leclerc gewesen und hatte mich sehr zusammenreißen müssen. E.Leclerc's sind Einkaufshallen, in denen es an einem Ort alles gibt. Von (noch) lebendigen Krebsen, bis zu Büroartikeln, Kleidung, Gartenutensilien und - einer großen Patisserieabteilung. Die Crêpes werden dort frisch zubereitet, gefaltet und in einer kleinen Box zum Verkauf angeboten. (Für alle Interessent:innen- Es gibt im Supermarkt Monoprix "Crêpes Nature" im Kühlregal, welche zwar nicht "frisch" sind, dafür aber überaus schmackhaft(er) - und vor allem mit weniger Plastik.)

 

Außerdem stehen dort meterlange Regale - Im E. Leclerc.

Kühlregale. Mit sehr verschiedenen Sorten Pudding... Auch das ist ein Problem.

 

(Achtung: Nestlé ist wirklich Quatsch.)

 

Meine Mitbewohnerin hatte mir erklärt, dass diese Hallen boykottiert werden müssen. Weil es an Amerika erinnere und weil die kleinen Läden dadurch kaputt gehen. Das fand ich super wichtig zu hören. (Und wenn man ein bisschen nachdenkt, ließe sich da eigentlich auch selbst drauf kommen...) Daran hatte ich im Urlaub nie gedacht, wenn ich tief beeindruckt und mit großen Augen hindurchwatschelte. Es war ja schließlich Urlaub... (Autsch)    

 

 Was ich allerdings sicher sagen kann: Das Zuckergebäck kann noch so süß sein im E.Leclerc - es kommt niemals an eine echte Patisserie heran.

Mimi stellte sich neben mich an den Herd, sah mich lange an und sagte dann: "Selma. Du musst mir versprechen, dass du das nie mehr machst. Du bist wirklich der größte Touri den ich kenne. So leicht zu beeindrucken. So eine Kapitalistenmaus. Du kaufst fertige Crêpes." Ich denke sie meinte Sau, wollte es aber nett sagen. Es wirkte trotzdem.

Ich fühlte mich ziemlich bescheuert, vor allem, weil wir keine passende Pfanne für die Crêpes hatten (sie waren sehr groß) und weil ich mir in Deutschland niemals fertige Pfannkuchen kaufen würde. Wirklich. Niemals.

 

Gott sei Dank schaute sie nicht in den kleinen Kühlschrank, in welchem Flan, Eclairs und Macarons lagerten. 

 

Kennt ihr übrigens L'île flottante? Da kann selbst ich nicht mehr mithalten: Gezuckerter Eischnee, der als Kugel geformt in Vanillesoße schwimmt. Kurz vor dem Verzehr wird alles mit ausgiebig Karamellsoße garniert... Und einfach so gegessen. 

 

Als ich das letzte Mal fertigen Flan mit nach Hause gebracht hatte, rief Mimi ihre Oma an und fragte nach französischen Patisserie-Rezepten. Flan. Das war Kuchen. Also eigentlich Pudding - mit Ei und Zucker vermengt, auf einem dünnen Boden verteilt. Der Boden ist dünn. Der Belag... nicht.

Nun warten wir auf die Rezepte, die per Post kommen. Ich freue mich ganz arg. Auch wenn das dann bedeuten wird, dass die Zeit des faulen Supermarkt-Pâtisserie-Gepansches vorbei sein wird. Das musste ich hoch und heilig versprechen.

Ach ja: Neulich habe ich veganes Mousse au Chocolat gemacht und es war wirklich eine große Freude, dass sich alle im Haus bedienten und die dreifache Menge, bereits nach einem halben Tag verputzt war. Es merkte niemand, dass es vegan war. Und dann erzählte mir Dora, dass ihr typisches Mousse au Chocolat Rezept mit Crème fraîche ist. Still grinste ich in mich hinein. Die Basis für die vegane Variante bildete "Aquafaba" - das gelbbraune, getrübte Wasser aus einem Glas Kichererbsen...