Les Calanques - Sormiou

Kleiner Spoiler: Dieser Artikel lohnt zum runter scrollen. 

 

Da unsere Uni-Veranstaltungen jeweils drei Stunden dauern und versetzt alle zwei Wochen stattfinden, habe ich immer mal wieder einen freien Tag.

 

Schon lange hatte es mir in den Fingern gekribbelt, endlich einmal in die nahegelegenen Calanques zu fahren. Die Calanques sind eine Felsvereinigung der Alpes- Côte d'Azur und liegen direkt am Meer.

 Das ESN-Marseille (Studentisches-Erasmus-Netzwerk) hatte sogar ein "Camping in den Calanques" angeboten, welches leider sofort ausgebucht war. 

 Die in Suchmaschinen auftauchenden, auf Bildern oft türkisfarbenen und einsamen Buchten, fehlten mir an den Stadtstränden von Marseille.

 

Eine Zwischenmieterin bei uns im Haus studiert am Campus Luminy und erzählte, dass dieser nahe an den Calanques sei.

Dies brachte mich auf die Idee, wild auf Google- Maps herumzupatschen und irgendeine Bucht herauszusuchen, welche mit dem Bus und zu Fuß erreichbar ist:

Sormiou.

 

5,6km waren es von der Bushaltestelle bis zum Meer. Kein Problem. So dachte ich. Dann stieg ich aus und stand neben einer Bundesstraße mit Autobahnbrücke. Vor einem sehr steilen Berg. Welch Schnapsidee. 

Ich stiefelte die vielbefahrene Straße auf dem Fahrradweg entlang und verwarf jegliche Erwartung an eine Traumbucht.  Würde ich überhaupt über den Berg kommen?

 

Es wurde steiniger und grauer und neben der Bundesstraße entwickelte sich ein kleiner Pinienwald.  Auf der anderen Straßenseite war eine kleine Siedlung, dessen Dekoration sich wohl am ehesten mit "kreativ" beschreiben lässt.

 

Als ich weiterging, überquerte ich eine ominöse Autoschranke und befand mich plötzlich auf einem angekündigten Wanderweg sowie Naturschutzgebiet. Ich konnte es zwischenzeitlich kaum glauben, wie steil ein eingetragener Betonweg sein kann.

 

Und dann: Marseille.

 

Marseille? Die Stadt blitzte zwischen den Bergen hervor und es war wirklich unglaublich, dass ich von dort nur eine halbe Stunde mit dem Bus hierher gebraucht hatte.

Ich lief durch ein Tal - rechts und links steile Felswände. Sonst nur Autos.

 

Eine Höhle klaffte hoch oben aus der Felswand und ich versuchte mich durch dorniges Gestrüpp den Berg hinauf zu hangeln. Als ich mich umdrehte, merkte ich erst wie steil es war. Abgesehen davon, dass ich nicht gerade schwindelfrei bin - vielleicht nicht die beste Idee, mitten in der Pampa und ohne Partner:in. Ich setzte mich und aß die Hälfte meines Vespers. Mango,  Apfel und Pflaume. Der Ausblick war bereits eindrucksvoll auf die gegenüberliegende Felswand.

 

Was dann kam, ließ mich ziemlich perplex in der Gegend rumstehen. Ich schaffte es nicht mehr zum Meer. Keine Bucht. Nicht noch ein Yachthafen. Aber ich schwor mir, die Route bald zu wiederholen. Und dann die Serpentinen zum Meer hinunterzulaufen. Vielleicht sogar in Flip-Flops und Badehose. Wie die Menschen, welche mir entgegenkamen, bevor ich auf dem höchsten Punkt des Weges war und freien Blick auf die Bucht, das weite Meer und Bergformationen hatte. Und diese knorrigen, dünnen Bäumchen... bekannt von Postkarten mit weisen Felsen und türkisenem Wasser. Sie hinterlassen meist ein enormes Gefühl von Realitätsentfremdung bei mir.

Ehrlich gesagt war ich so verwirrt, mich plötzlich an diesem ca. 5m breiten Kiesweg auf einem wirklich sehr hohen Berg (Waaaaas!??? Es war ja so schön!!) zu befinden, dass ich meine Schwester per Videocall anrief. 

Und yep... Es kommt nicht immer gut, solche Bilder ins derzeit graue Deutschland zu entsenden. 

 

Ich hörte Musik, kletterte in eines der hageren Bäumchen, aß mein Vesper und schaute aufs Meer. Es begann zu winden und ich merkte, dass es kälter wurde.

Immer mal wieder lief eine Wandergruppe den Weg entlang und die vorbeizischenden Mountainbiker hinterließen heftigsten Eindruck. Nach dem breiten Weg kam schließlich der Abhang. Auf der gegenüberliegenden Seite war eine Mutter mit zwei Kindern. Die Jungs stellten sich auf einen Vorsprung und schreiten sich sich circa fünf Minuten die Seele aus dem Leib, während die Mutter, ebenfalls brüllend, sie anspornte nicht aufzuhören. Ich beneidete die drei ein wenig.

 

Je weiter ich mich von der Bucht in die Calanques entfernte, desto heftiger wurde der Wind, sodass ich nur kurz um die Ecke schaute, dann aber auch das auf das nächste Mal verschob.

 

 

Auf dem Rückweg kam es dann: ein kleines Zipfelchen Urlaubsgefühl... So komisch es klingt: Die Aussicht im Bäumchen hatte mich mehr geplättet, als entspannt. (Auch die Höhe, die auf den Bildern nur erahnt werden kann, war rabiat.) Der Pinienwald auf dem Rückweg erinnerte mich sodann an gemütliche Campingplätze, verpeilte Platzwarte auf knatternden Mopeds und überdurchschnittlich gut sortierte Kioske.....

 

Und wieder einmal musste ich ein bisschen grinsen... Wie absurd so ein Fleckchen Erde doch sein kann.